Es wirkt aus heutiger Sicht etwas befremdlich, aus menschlichen Haaren kleine Kunstwerke zu formen. Im 19. Jahrhundert aber waren die sogenannten „Haarbilder“ ein weit verbreitetes Andenken.

Ursprünglich aus England stammend, hat sich der Brauch, zu bestimmten Anlässen wie Konfirmation und Hochzeit aus den Haaren Erinnerungsstücke zu formen, über ganz Europa verbreitet. Gewöhnlich sind es florale Motive, die hinter Glas gerahmt an liebe Angehörige und ein wichtiges Ereignis erinnern. Man nimmt an, dass diese Tradition mit dem Aufkommen der Fotografie aus der Mode kam, zumal die Aufnahmen im Laufe der Zeit auch für die breite Bevölkerung erschwinglich wurde. Unsere „Objekte des Monats“ sind (von links betrachtet) aus Haaren der zweieinhalbjährigen Friederike Caroline Schneider, die am 21. April 1852 geboten wurde, und Friedrich Stuhls gefertigt. Von wem die Haare des dritten Bildes (rechts) stammten, ist unbekannt. Friedrich Stuhl stammte aus einer alten Herborner Familie, die wahrscheinlich als Färber oder Gerber ihren Lebensunterhalt verdienten. Meist fertigten Barbiere oder Perückenmacher die kleinen Kunstwerke an. Vermutlich hat jede Blumen eine eigene Symbolik. Die weite Verbreitung der Haarbilder – es gab auch Ketten und anderen Schmuck aus menschlichem Haar – hat auch damit zu tun, dass Perücken nach der Französischen Revolution nicht mehr in Mode waren und Perückenmacher ein neues Betätigungsfeld suchten. Länger als die Mode der Haarbilder hat sich der Brauch gehalten, dass Verliebte sich gegenseitig eine Locke schenken oder Eltern eine Locke vom Ersthaar ihres Kindes aufheben.

(K. Kordesch)