Mitten im Deutsch-Französischen Krieg war der Luftweg für das von deutschen Truppen eingekesselte Paris die einzige Möglichkeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Während der 134 Tage währenden Belagerung sollen 67 Ballons aufgestiegen sein, darunter auch der 21 Meter hohe und 14 Meter breite namens "Ville de Paris", gefüllt mit hochexplosiven Leuchtgas, im Korb drei Mann Besatzung und vier jeweils rund 65 Kilogramm schwere Postsäcke sowie zwölf Brieftauben, die wichtige Nachrichten zurück in die belagerte Stadt bringen sollten.
Eigentlich habe der Wind den Ballon samt Fracht nach dem Start am 15. Dezember um 4.45 Uhr in Paris in Richtung Bordeaux bringen sollen, doch tatsächlich trieb "Ville de Paris" genau in die andere Richtung und somit direkt über Feindesland: Als die Männer am Vormittag bei dichtem Nebel den Anker warfen, um zu landen, fanden sie sich zu ihrer großen Überraschung nahe Kempenich in der Eifel wieder. Zwei der Postsäcke oder zumindest deren Inhalt, ein Franzose und der gekappte Anker blieben zurück, als die Besatzung den Irrtum erkannte und das Heil in der Flucht suchte. Doch der Wind trieb den Ballon noch weiter hinein nach Deutschland. Erst am Mühlberg bei Sinn war die Fahrt dann endgültig zu Ende.
Die beiden verbliebenen Luftschiffer schnitten die Halteseile der Gondel durch und wurden als Gefangene zuerst zum Bürgermeister und dann zur Festung Ehrenbreitstein nach Koblenz gebracht, nachdem sie sich bei Kaffee und Rum hatten aufwärmen können, wie Johann Heinrich Hoffmann in den "Herborner Geschichtsblättern" 1909 betont. Der Ballon selbst kam erst bei Bicken zum Liegen, schreibt der Mitbegründer des Herborner Geschichtsvereins. Fast 39 Jahre später schildert er, wie sein Schwager als Augenzeuge die Landung miterlebt und wie er selbst mit seinem Bruder Karl in Bicken die Ballonhülle abgeholt und nach Herborn gebracht hat, wo er sie - "da ein Füllen mit Luft wegen der großen Risse nicht tunlich war" - auf dem Schlosshof auf einem "Gerippe von Stangen und Latten" ausbreiten und zur Schau stellen ließ.
Hoffmann schätzte das Gewicht der Hülle auf 15 Zentner. Einige Wochen lang sei sie auf dem Schlosshof zu besichtigen gewesen - gegen einen Obolus wohlgemerkt, der zugunsten des im Schloss seinerzeit untergebrachten Lazaretts erhoben wurde. Stücke aus der Hülle seien zudem auch mit einem Bild des Ballons bedruckt verkauft worden, berichtet er später. Der "größte Teil der Ballonhülle liegt (...) als unförmige, zusammengeklebte Masse auf dem Hofe unseres Werks hier in der Nähe des Tores in der Erde begraben", schreibt Hoffmann, der Gründer der mit "Werk" gemeinten Herborner Pumpenfabrik, rückblickend.
Ein unscheinbares viereckiges Stück der Ballonhülle aber hat Hoffmann in den gebundenen "Herborner Geschichtsblättern" eingeklebt hinterlassen - ein unspektakulär anzusehendes und dennoch spannendes "Objekt des Monats", das sogar die Weiberner Heimatfreunde nach Herborn lockte. In Weibern nämlich ist noch heute der auf Gemeindeland gekappte Anker des Ballons erhalten und zu besichtigen, wie sie bei ihrem Besuch erläuterten. Ein Gastgeschenk hatten die Weibener auch im Gepäck: eine vom Bildhauer Armin Hilger mit Hilfe eines 3D-Druckers gefertigte und auf Weibener Tuffstein befestigte Miniatur des Ankers.
(K. Kordesch)