Es erinnert ein wenig an die Poesiealben, die vor einigen Jahrzehnten gebräuchlich waren, oder an die Freundschaftsbücher, die Kinder und Jugendliche heute austauschen. Tatsächlich kann man das ledergebundene Buch mit Goldschnitt und geprägten Ornamenten auf dem Einband als Vorläufer dieser heutigen Gattung ansehen: „Das „album amicorum“ ist seit der Reformationszeit bekannt. In Wittenberger Studentenkreisen beispielsweise galt es als schick, sich die Autogramme der Reformatoren eintragen zu lassen.

Auch das vorliegende Exemplar, das der Herborner Verkehrsverein 2013 zusammen mit anderen historischen Schriften ersteigert – für das Freundschaftsbuch wurden übrigens 1500 Euro aufgerufen – und dem Geschichtsverein geschenkt hat, gehörte einem Studenten: „Hermanno Crann“, an anderer Stelle auch Kran genannt, stammte aus einer Juristenfamilie, die auch am Reichskammergericht in Speyer nachzuweisen ist. Er stammte aus Düsseldorf und kam 1617 ans Pädagogium nach Herborn, bevor er später an der Hohen Schule die Rechtswissenschaften studierte. Sein „album amicorum“ hat er 1618 begonnen. Neben Einträgen von Kommilitonen und dem Wappen der Familie Crann fallen die Signaturen von Buchdrucker Christoph Corvin und den Professoren Johann Heinrich Alsted, Georg Pasor und Johann Piscator ins Auge.

Den schönsten und aufwändigsten Eintrag aber hat Wilhelm Selem aus Trier vorgenommen, ein Mitschüler Hermann Cranns am reformierten Gymnasium in Düsseldorf, der ebenfalls in Herborn studierte. Im August 1618, also vor genau 400 Jahren, zeichnete er mit großer Sorgfalt ein kleines kalligrafisches Meisterwerk in Gestalt eines „Vaterunser“ in lateinischer Sprache, das kunstvoll in ein Muster aus Sentenzen zum Thema Freundschaft eingebunden ist. Die Zeichnung ist nur 10,5 auf 14 Zentimeter groß, das „Pater noster“ in der Mitte hat einen Durchmesser von gerade mal 15 Millimetern. Die einzelnen Buchstaben sind nur einen Millimeter groß und trotzdem gut lesbar.  (klk)