Eigentlich jeder Herborner hat schon einmal etwas vom legendären Schatzfund gehört. Das Schatzhaus mit dem „Geldschisser“ in der Fußgängerzone erinnert Besucher der Altstadt daran. Aber gesehen haben die wenigsten den Münzschatz. Ein Replikat im Stadtmuseum zeigt die Fundsituation des Schatzes. Die Vermutung, das Modell stamme vom Herbornseelbacher Theodor Claas, hat sich nicht bestätigt.

Niemand weiß, wer die 1066 Münzen einst gesammelt und in einem hellgelben Tontopf vor fast 300 Jahren vergraben hat – wohl wegen der unruhigen Zeiten im Dreißigjährigen Krieg. Wahrscheinlich war es ein wohlhabender Kaufmann. Ob er und seine Angehörigen den Kriegswirren oder der Pest zum Opfer gefallen sind, lässt sich nicht mehr klären. Seine über mehrere Jahre gesammelten Ersparnisse jedenfalls hat Friedhelm Scholl am 31. Oktober 1984 entdeckt, als er im Keller seines neu erworbenen Fachwerkhauses einer Verfärbung im Erdreich mit der Spitzhacke auf den Grund gehen wollte.

 

Die Münzen müssen schon in einem dort früher stehenden Haus vergraben worden sein: Das heutige Gebäude ist erst um 1770/1780 gebaut worden. Den „Talerwinkel“ gab es damals noch nicht, so dass theoretisch zwei oder sogar drei Häuser dem alten Gewölbekeller zugeordnet werden könnten, erläutert die Museumsleiterin anhand der einschlägigen Fachliteratur. Niklot Klüßendorf hat 1989 das Standardwerk „Der Münzschatz von Herborn zur Kipperzeit in der Grafschaft Nassau-Dillenburg“ verfasst, in dem alle Erkenntnisse rund um den Fund dokumentiert sind, der als einer der herausragenden in Hessen bezeichnet wird. Die Fundsituation weise darauf hin, dass der schon vorher zerstörte Tontopf nicht hastig versteckt worden sei. Die zehn Goldmünzen seien separat verpackt und obenauf gelegt gewesen.

 

Diese Fundsituation bildet auch die nun im Museum zu sehende Replikation ab. Kaum zu glauben, dass der auf einem beigestellten Foto abgebildete Originalfund 3,8 Kilogramm auf die Waage brachte. Die jüngsten Münzen stammten aus dem Jahr 1622 und seien kaum abgenutzt gewesen, erzählt die Museumsleiterin. Die meisten stammen aus den Jahren 1611 bis 1622, 131 allein aus 1619. Die älteste Münze datiere vor 1200, sei also damals schon über 400 Jahre alt gewesen. Das Herkunftsgebiet der Münzen reicht weit über die deutschen Staaten hinaus: Der Schatz enthielt Münzen beispielsweise aus Ungarn, Litauen, Polen, Mailand, Tirol und Luzern.

 

Da es sich ausschließlich um Silber- und Goldmünzen und damit um sogenannte Realwerte handelt, geht Klüßendorf davon aus, dass die sogenannten Kipper und Wipper verantwortlich für das Sammeln der wertstabilen Münzen waren: Jene Jahre waren wegen des hohen Geldbedarfs durch die kriegerischen Handlungen eine Zeit der schleichenden Geldentwertung: Um die Kriegskosten zu stemmen, seinen Münzen sozusagen aus „gestrecktem“ Material geprägt und dafür sogar „gute“ Münzen aufgekauft worden.

 

Den seinerzeit auf rund 100 000 DM geschätzten Schatz durften die Eheleute Marga und Friedhelm Scholl übrigens behalten. Damals galt in Hessen noch das Prinzip der sogenannten "Hadrianischen Teilung", die aus solchen Funden eine Hälfte dem Finder, die andere dem Grundstücksbesitzer zuspricht, die im Herborner Fall identisch waren. Seit 2011 gilt das „Schatzregal“ - dieses Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmäler („Denkmalschutzgesetz“) sieht eine "angemessene Belohnung" für den Finder vor, falls das Land die Fundsache behalten will und ins Denkmalbuch eintragen lässt. Erst die Erben haben den Schatz nach Marga Scholls Tod 2009 schließlich versteigern lassen und anstelle des mit 46 000 Euro angesetzten Versteigerungswertes mehr als 96.000 Euro erlöst. "Die älteste Münze des Schatzes – ein wohl zufällig hineingelangter Silberpfennig aus dem 12. Jahrhundert – ist auf 150 Euro taxiert und wird für 1.200 Euro zugeschlagen", schreibt Klüßendorf. Er weiß auch, wieviel der Schatz um 1620 wert gewesen sein mag: Ein Schreinermeister habe seinerzeit etwa drei Jahre für diese Summe arbeiten müssen, meint er.

(klk)