Die 1584 gegründete nassauische Hohe Schule in Herborn überlebte im Dreißigjährigen Krieg nur knapp verheerende personelle und finanzielle Einbußen. Günstige politisch-militärische Umstände ermöglichten jedoch bereits in den letzten Kriegsjahren Planungen und erste Maßnahmen für ihre Wiederherstellung, die großen Auftrieb durch den westfälischen Friedensschluss von 1648 erhielten.

 Die Reformierten erfuhren damals ihre Anerkennung als gleichberechtigte dritte Konfession im Heiligen Römischen Reich. Jetzt durfte man vom Kaiser die Erhebung der Herborner Schule zur Universität erbitten. Parallel zu diesem Streben gab es eine beachtliche Zahl von Neuauflagen erfolgreicher Herborner Autoren der Blütezeit. Auch die an den Kaiser, andere Reichsorgane in Wien oder an befreundete Mäzene gerichteten Memoranden beschwören die glanzvolle Vergangenheit. Die von den reformierten Linien des Hauses Nassau-Katzenelnbogen, den Directoren, zu den Schulkonferenzen abgeordneten Räte gedachten jedoch nicht, lediglich in den alten Bahnen fort zu fahren, sondern leiteten eine Modernisierung des Lehrbetriebes ein. Im März 1650 wurde die Einführung der Sprachlehre nach Jan Amos Comenius am Pädagog, der Zubringerschule der Hohen Schule, beschlossen. Schon im Vorjahr hatte der neu berufene Johannes Clauberg in Herborn seine Lehrtätigkeit aufgenommen. Er hatte sich in der Philosophie des René Descartes in Groningen und Leiden weitergebildet und wurde zum ersten Vertreter des Cartesianismus in Deutschland. Die Rolle Herborns als erste rechtsrheinische Pflanzstätte der neuen Lehre geriet jedoch bereits ab dem Sommersemester 1650 in Gefahr, als Cyriacus Lentulus, der seine anticartesianische Ausrichtung soeben aus Utrecht mitgebracht hatte, öffentlich gegen Clauberg auftrat. Wie auf den niederländischen Hochschulen zu beobachten, ging es auch an der Hohen Schule um die unterschiedliche Beurteilung der cartesischen Philosophie innerhalb der reformierten Konfession, wobei Schärfe und Unruhe in Herborn nicht zuletzt dadurch entstanden, dass der Vorwurf der Gotteslästerung gegen die Cartesianer erhoben und von beiden Seiten die Studentenschaft einbezogen wurde. Neben den heftigen Auseinandersetzungen um die neue Lehre haben auch der Ruf an die Hochschule in Duisburg und ein fehlgeschlagenes Heiratsprojekt mit einer wohlhabenden Herborner Bürgertochter Clauberg dazu bewogen, Herborn Ende 1651 zu verlassen. Die Wirksamkeit des ersten deutschen Cartesianers an der Dill war viel zu kurz, um der Verbreitung der neuen Philosophie zu dienen. Um so mehr trug dazu die Literatur um den Herborner Cartesianismus-Streit bei, die ab 1651 die Gemüter beschäftigte. Die Ausstellung wird den dramatischen Wendepunkt des vorläufigen Scheiterns der Descartes-Rezeption in den Zusammenhang der Herborner Hochschul- und Lokalgeschichte stellen, die Häupter des Cartesianismus-Streites charakterisieren und das weitere Schicksal der Philosophie des René Descartes an der Hohen Schule schildern. Anlass dazu sind neue Bibliotheksfunde, die das Ringen um die Wahrheit noch dramatischer erscheinen lassen, als dies bereits bekannt war. Auch die Fragen nach der Freiheit der Philosophie, der Literaturzensur und der akademischen Streitkultur sollen beleuchtet werden.

(Rüdiger Störkel )

Ausstellungsdauer: 25.05.2013 - 15.02.2014